Donnerstag, 25. November 2010

солнце светит

immer wenn morgens durch mein nordfenster ein kleiner strahl warmen lichtes zu erhaschen ist, springe ich euphorisiert aus dem bett und alle depression ist wie weggeblasen. ich denke dann immer an die ersten zehn minuten des russischunterrichts, wo wir datum und wetterlage benennen mussten und ich denke an den einzigen vollständigen satz, den ich außer der verkündung meines namens noch im aktiven sprachgebrauch habe: солнце светит, дождь не идет. Доброе утро, товарищu!

Montag, 22. November 2010

wie ich plötzlich allein war

es fing an, als die müdigkeits- und panikattacken noch nicht in die offizielle mutterschaftsankündigung umgesetzt waren. ich lag auf dem sofa, sehnte mich nach viel rotwein und keiner fragte nach mir. was hätte ich auch sagen sollen. das musste ich mir erstmal sehr lange klarmachen. meine purzelbaumschlagende seele hatte kein bedürfnis nach erfahrungsberichten und belehrungen, nach jubelattacken und zugehörigkeitsgefühlen. ich war aus allem raus und ich wusste nicht, wie ich mit wem darüber reden sollte und wollte. es sah auch keiner das dilemma. meine freunde und verwandten waren wie immer sehr mit sich beschäftigt. dann war sommer. einige wussten bescheid und riefen noch seltener an. und ich lag weiter müde und unmotiviert auf dem sofa und sehnte mich nach der alten aktivität und kühlem weißwein. beruflich war irgendwann alles geklärt, die ersatzfrau stand in den startlöchern, ich quälte mir zwischen ein paar schwangerschaftskomplikationen noch ein halbes kapitel diss und einen aufsatz ab, aber da hatten die hormone schon zugeschlagen und mich in diesen babytaumel versetzt, der die konzentration schwächt und die gedanken nur noch um das eine kreisen lässt. die luft wurde auch knapper und die bewegungen langsamer - ich war nicht mehr dabei, aber mittlerweile immerhin so gelassen, dass es mir nicht mehr so viel ausmachte, wenn ich tagelang mit keinem menschen sprach außer mit dem mir in liebe und elternschaft verbundenen.  einmal kamen freunde zum essen, einmal gingen wir zu freunden zum essen. ab und an traf ich  mich auch auf einen entkoffeinierten kaffee mit den frauen vom schwangerenyoga. dann wurde es kälter und dunkler, meine letzten wochen in arbeit absolvierte ich mal wehmütig mal mit letzter kraft. dann schloss ich die bürotür hinter mir und übergab meinen schlüssel, der sonst so belebte gang war menschenleer. auf meiner essenkarte sind noch zehn euro. ich bin jetzt weg. meinen dienstlichen e-mail- account habe ich gelöscht. es kümmern sich andere darum. ich sitze auf  dem sofa und kann jetzt mit nadelspiel stricken. das habe ich mir mit internetvideos beigebracht. meine mutter ruft jetzt öfter an, es kann ja jederzeit losgehn. mein vater schraubt am wickeltisch. von meiner besten freundin habe ich nichts mehr gehört, seit ich sie von ihrer prüfung abgeholt habe. aber davor wollte sie auch nicht so viel kontakt. ich lese viel über geburt und diese dinge, ich will ja vorbereitet sein, der dämliche kurs war völlig umsonst. ich brauche entspannung und beruhigung in dieser hinsicht. einmal in der woche gehe ich zum yoga, (letzte woche war ich die einzige), dann täglich dreißig minuten spazieren, einkaufen, ein bisschen haushalt, was eben geht mit einem viertel der kraft. zweimal noch gesangsunterricht, dann läuft der vertrag aus. das lilalaunebärchen strampelt munter vor sich hin, wir beide kommen gut klar. nur der nachtschlaf wird weniger und ich muss mehr essen, weil das gewicht noch zu gering ist. manchmal bin ich unzufrieden, aber meistens bin ich zu müde. bald ist weihnachten. vor ein paar tagen rief eine alte freundin an, die ich lange nicht gesprochen hatte. ich fragte, wie es ihr geht und sie sagte: schlecht. ich habe, sagte sie, jetzt lange so getan, als ob ich noch kann, dabei kann ich eigentlich gar nicht mehr. ich kann eigentlich nur noch auf dem sofa liegen und ich fühle mich so einsam, aus allem raus. ich habe mich nur nicht getraut, das jemandem zu sagen. in den nächsten tagen werden wir uns sehen. wir werden auf dem sofa liegen bei einer tasse apfeltee und uns ein bisschen was erzählen. wir haben ja sonst nichts zu tun. 

Dienstag, 9. November 2010

alle sollen aufstehen!

junge türken stehen auf, alte damen mit rollator stehen auf, mütter, vollbepackt mit einkaufstaschen, stehen auf, nur deutsche bauarbeiter mit i-pod und bier, studierende in der u3 und wichtige damen im funkkontakt STEHEN NIE AUF und boxen mir stattdessen beim schubsen in den dicken bauch  ohne dass sich jemand aufregt. wir haben damals schon in der ersten klasse gelernt: alten, kranken und schwangeren bietet man einen sitzplatz an. scheiß neue welt. heute vor vielen jahren hat das alles angefangen: das ende der solidarität. und ich muss das jetzt ausbaden.