Sonntag, 11. Oktober 2009

mich regt das auf

auf die gefahr hin, dass ich mich wiederhole: mich regt das auf, wenn den studierenden im ersten semester schon klar werden muss, dass zuviel denkzeit der karriere schadet. schließlich sollen sie sich ja auf ihren beruf vorbereiten und weniger zeit mit studieren, mehr zeit mit praktizieren verbringen. ja wo komm wa denn da hin, wenn die geisteswissenschaften sich jetzt selber nicht mehr ernst nehmen, indem sie vermitteln, dass geist und wissenschaft allein nicht reichen. lesen, schreiben, denken schön und gut, aber bitte noch ein selbstvermarktungskurs, zwei sprachen mehr, ne betriebswissenschaftliche zusatzqualifikation, ein auslandssemester und irgendeine weiterführende kompetenz. alles in drei jahren, hopphopp, sonst wirds nüscht mit der karriere, ergo nüscht mit dem leben. versager, wer sich zeit lassen will, gescheitert, wer vom fließband fällt. da läuft was mehr als schief. normiertes lernen produziert keine elite, sondern produziert rädchen im getriebe. welche form von wissenschaft wollen wir vermitteln? welche kultur wollen wir fördern? in welcher gesellschaft wollen wir leben? besteht überhaupt noch interesse, sich das zu fragen? bin ich die einzige, die bauchschmerzen hat? wer will sehen, wos langgeht, wer korrigiert den kurs? die steuermänner sind maschinisten, sie wissen nichts mehr von den meeren.

Mittwoch, 7. Oktober 2009

unterwegs

ich hatte ja noch blonde haare als mein vater vor zwanzig jahren gegen abend das haus verließ, geschmierte stullen im rucksack und zwei zwanzig-pfennig münzen im schuh. sie haben mir wohl erzählt, wohin er unterwegs war, ich weiß nur: ich hatte angst.
ich hatte ja noch keine ahnung von den großen dingen und hätte ich gewusst,  was mich hinter den gesprengten türen erwartet, welche fahrt mein leben aufnehmen wird, welcher rasende strom mich mitreisst, fortspült, welche hohen wellen über mir zusammenschlagen und wie die stürmischen zeiten mich verändern ganz und gar - ich hätte noch um ein wenig aufschub gebeten, wäre gern noch ein bisschen kind geblieben zuhaus in den sicheren wänden, hätte zum vater gesagt: bleib doch noch, hätte die mutter gebeten: nimm mich an die hand.
so stürze ich heute noch durch die wirren, immer auf der suche, komme nicht an, niemand, der mir den weg weist.

Dienstag, 6. Oktober 2009

ich fall nicht drauf rein

es wurde sonne versprochen und spätsommerliche temperaturen - jetzt muss ich hier gänsehäutig am schreibtisch sitzen mit wollstrickjacke und heißem tee. ich bin sicher, da ist lobbyismus im spiel, wetteramt, politik und wirtschaft sind da ganz dicht verzahnt. mit falschen versprechungen halten die uns wochenlang hin: morgen wirds warm, kommt licht, gehts berauf. immer morgen morgen morgen, so werden die menschen durch die trübe zeit gelogen. damit bloß keiner aus dem fenster springt oder aus den gleisen. alle schön auf sparflamme bleiben, morgen kommen die besseren zeiten. ich fall nicht drauf rein. ihr kriegt mich nicht klein. ich mach die heizung an. sofort. und fahr ans meer. morgen.




Montag, 5. Oktober 2009

einheitsmärchen

es war einmal eine kleine riesen-marionette, die einsam und traurig durch eine welt dunkle welt schaukelt, in der es immer regnet (osten der stadt). plötzlich taucht aus dem fluss eine ganz große riesen-marionette auf und macht sich auf den weg zu ihr (westen der stadt), die sie einst verloren ging. endlich finden sie sich wieder, die kleine riesen-marionette liegt über das brandenburger tor der großen riesen-marionette mitten in die arme. da hat er sie und lässt sie nie wieder los. die menge jubelt und ist gerührt. beide riesen-marionetten verschwinden vom volk, äh publikum, unbemerkt noch in der selben nacht. aus differenztheoretischer perspektive will ich darüber lieber mal gar nicht nachdenken, nur was will uns das ganze dann sagen? sind wir alle riesen-marionetten (die einen eben größer, die anderen natürlich kleiner), die von samtanzügigen kranführern gelenkt werden. erschaffen von einem durchgeknallten franzosen mit bienemaja-brille? das würde natürlich auch wieder einiges erklären. aber: wo sind wir hin? und: wer ist das volk?

in santiago de chile sollen im nächsten jahr  wieder riesen-marionetten auftauchen - erinnerungsflug: mercedes sosa singt im februar 1990 auf dem festival des politischen liedes, einen text des chilenischen dichters julio numhauser:

Freitag, 2. Oktober 2009

diese woche könnt ihr mir schenken

wenn montag die teure naturkosmetik aus hauptstädtischer manufaktur brennende haut macht, dienstag der rechner abstürzt, der für freitag geplante büroumzug plötzlich mittwoch stattfindet, am abend die brieftasche weg ist (wirklich alles drin!) und das geplante romantische dinner beim mädchenitaliener einer panischen suchaktion weicht, an deren ende zwar das geld nicht da ist, aber die lebensgeschichte des hausmeisters bekannt, wird dann der vom liebsten liebevoll nächtens bei kaisers (danke kapitalismus) erworbene entschädigungsrotwein erst streitend hinuntergestürzt, später versöhnend gelehrt, beschert aber am morgen migräne, die den ganzen donnerstag anhält, an dem sowieso kein ersatzbus fährt (dichte busfolge), was den arbeitstag um 25 warteminuten kürzt, die dann eben mittags eingespart werden  und zu knurrmagigen arbeitstreffen führen, weswegen der abend in geschlungenem thaiteller endet, der die ganze nacht weiterrummpelt (kam das laute piepen, das nur ich hören konnte auch daher?)  - dann möchte ich doch wenigstens freitag früh einen satz nicht mehr hören: jut meine herrschaften, wennse die türn nich freimachen, jets hier eben nich weita! motor aus. fahrt zuende. danke berlin.