Montag, 2. November 2009

nächtlicher widerstand

20:30 finde ich es trotz tatort ungerecht, wenn männer meinen, sie können ihren wunsch nach familie ausleben ohne zumindest die überlegung anzustellen, wie es wäre maximal halbtags arbeitend und schlechterverdienend älter und den eigenen ansprüchen nicht gerecht zu werden.

21:45 mache ich den fehler und sehe annewill, ich bin erst fassungslos und koche dann vor wut über die selbstgefälligkeit derer, die sich ermächtigt haben dieses land zu regieren.

22:30 sehe ich nicht ein, warum ich da ruhig bleiben soll und vernünftige argumente finden und liege dann herzpochend im bett und stelle mir ein dasein als hausfrau und mutter vor, weil eben eine abstriche machen muss, schon allein aus ökonomischen gründen. zumindest habe ich dann kinder, die mich pflegen müssen, wenn ich bedürftig aber wegen verminderter einzahlungen nicht würdig bin, eine anständige altersbetreuung zu genießen. die lange angesparte zusatzrente setzt mein mann dann währenddessen mit der dreißig jahre jüngeren doktorandin um, stelle ich mir vor.

23:30 beginne ich mit den reden an die nation, weil schließlich irgendwer mal was tun muss und das alles so nicht weitergeht. ich prangere an: das marode bildungssystem, die geschlechterpolitik, den neoliberalismus, die angst und feigheit der menschen.

0:00 sehe ich ein, dass es allein mit nächtlichen reden nicht getan ist und überlege, wie sich bis zum 4. november noch eine spontane demonstration organisieren ließe, ein aufstand gegen die soziale kälte. vielleicht über twitter. oder ich spreche die leute einfach in der u-bahn an. oder ich stelle mich mit einer kerze am abend an die weltzeituhr. vielleicht haben ja noch andere die idee. muss man das dann anmelden? soll ich annewill anrufen? sind auf dem spitzboden meiner eltern eigentlich noch die alten plakate mit den schmetterlingen, die wir vor zwanzig jahren am abend vor dem großen tag gemalt haben?

2:00 denke ich, es ist besser, die menschen bei ihren ängsten abzuholen und gründe ein mobiles büro für bürgerrechte (mbb). ich werde mich jeden samstag vor ein einkaufszentrum stellen und menschen beraten, wie sie ihre wut und unzufriedenheit kreativ produktiv machen können: handeln statt jammern! ich drucke handzettel: 1. formulieren sie ihre unzufriedenheit. was muss sich ändern? 2. sprechen sie mit anderen darüber (nachbarn, freunde) und organisieren sie ein treffen. 3. diskutieren sie über für ihre gruppe geeignete formen des zivilen widerstands. 4. setzen sie ihre ideen um. 5. wichtig: keine gewalt. ich überlege, wen ich morgen anrufen könnte, vielleicht p., deren mann ist dokumentarfilmer, da könnte man das gleich als doku...

3:00 die idee nimmt konturen an. werden sie subunternehmer. gründen sie ein mbb vor ihrem einkaufszentrum. beraten sie andere menschen hinsichtlich kreativer widerstandsformen.

4:00 in drei stunden klingelt der wecker und an schlaf ist nicht zu denken. ich hole den mann ins bett und denke, als ich beim leisen schnachen langsam wegdämmere: vielleicht ist ein halbtagsjob mit familie gar nicht so schlecht, nachmittags könnten die kinder und ich vor dem einkaufszentrum mit menschen sprechen und bonbons verschenken gegen die soziale kälte,  das macht aus den kindern gute menschen und hilft anderen und vielleicht komme ich ja  auch mal zu annewill mit meinen ideen, wenn ich mich da bloß nicht wieder so aufrege...


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