Freitag, 30. Juli 2010

wo wir sein werden

im august werden wir endlich wieder im fellas sitzen und schnitzel verspeisen (nur der gatte), zander auf berglinsen (nur ich) oder schwabenkraft. wir werden endlich wieder gut  und vertraut essen und wissen wo wir hinwollen sollen. wir sind (fast) echte berliner, wir sind treue seelen, wir essen nebenan, wir gehen immer die gleichen wege, wir wollen nichts neues. wir wollen das alles immer so schön bleibt wie es schon die letzten zehn jahre war. wir wollen uns nicht entscheiden müssen. abschied fällt uns schwer. unser herz blutet bei jedem neuen conceptstore. wir wollen den alten schreibwarenladen zurück. die hippe city kann uns mal. in der neuen schönhauser sind wir touristen. bei rainer und renate sind wir zuhause, weil das frühstück dort ohne schnickschnack ist, dafür mit liebe gemacht. weil die bratwurst mit geduld gegrillt wird, weil die kinder hier anschreiben lassen und einen fußball borgen. so soll es sein.

Mittwoch, 28. Juli 2010

wendland

wir warn im wendland jewesen. war schön jewesen. da warn wa vorher noch nie jewesen. das wendland ist sozusagen das gegenteil von dem, wo ich immer (gewesen) bin. das gegenteil von ostsee und uckermark, mecklenburger seenplatte und thüringer wald. als uns auf dem weg nach frauenwald zum wintersport (ja - es gab zeiten als im thüringer wald noch schnee lag) oder in die darsser sommerfrische noch die zündkerzen durchbrannten und wir kirchendächer reparierten, um einen urlaub am see zu ergattern, als wir in der laube von hubert und anita in karve einen ganzen sommer verbracht haben bis ich schwimmen konnte und vaddern und ich in der morgenfrühe einen ganz dicken fisch an der angel hatten, den dann keiner essen wollte, geschweige denn ausnehmen (das machte bei uns sonst immer herr gieske aus dem 10. stock, der war chirurg und hatte diesbezüglich keine berührungsängste), da haben die westberliner  auch den nächstmöglichen ausgang aufs land gesucht und höfe ausgebaut, dass es nur so eine pracht hat. und gegen das endlager und den castor gekämpft. nee, sagt meine mutter, das wäre mir da nüscht mit den ganzen strahlen, man weiß ja nie. und die ganze alternativkultur und so ein anderer geist. ein himmelweiter unterschied: lüchow und wittenberge. kleine schmuckläden gegen vietnamesische blusen. vollkornkuchen gegen billigbäcker. geld gegen frust und land genug für alle, für manche zuviel. zum grundstück gabs meist noch ne wiese und nen acker und nen wald. aber auch jede menge träume dort und hier: gejammer meist. der westen, die berliner, die kultur. fremd alles und was der bauer nicht kennt. und da können noch so viele  hauptstädter aufs land ziehen. die kriegen nur mit mühe einen fuß auf den boden - das setzt sich nicht durch. noch nicht. dabei wäre das doch eine prima alternative.  wenns nicht nur sommerhäuser wären. aber da ist zu viel unabgeschlossene vergangenheit. da kann man nicht einfach kommen und bleiben. da muss man zuhören und verstehen. hier wie dort stehen die türen offen, legt man uns zucchini in die taschen für die heimfahrt, borgt uns die feuerwehr ihre bierbänke fürs große fest.  hier wie dort trifft stadt auf land, bleibt man sich im zweifel doch fremd. und hier wie dort verkaufen unsere eltern ihre lang und liebevoll bebauten güter, wer will schon alt werden auf dem land. hier wie dort gehen die jungen weg: aus perspektivlosigkeit die einen, aus überdruss die anderen? kinder von verschiedenen eltern. verschiedene geschichten. die müsste man sich erzählen. und wir? in uns mischen sich die geschichten. wir sind dort willkommen und hier zuhause. wir bewegen uns zwischen den welten. schauen mühsam über den rand. bei arendsee habe ich mich zum ersten mal geirrt. hab gedacht, wir sind schön drüben. dabei warn wir noch hier.

Montag, 12. Juli 2010

pankower sommer

wir fluchen von oktober bis mai über die nordseite im ersten stock: nicht zu gebrauchen das schöne parkettzimmer, stockdunkel, arschkalt, unter uns wohnt keiner, neben uns wohnt keiner, im frühling auch noch grüne bäume davor - wer hält das aus?

seit tagen fröhnen wir der kühlen brise, die aus dem wunderbar kühlen, schattigen zimmer weht. auch die vorhänge haben wir zugezogen und machen es uns bei gepflegten 23 grad gemütlich. wir müssen nicht raus, wir haben viele neider. an unserem fenster ziehen die armen geplagten freibadjunckies vorbei, die glauben, man könnte da um 12 uhr mittags noch einen platz im wasser finden. ich gieße eine eisgekühlte schorle nach, räkel mich auf dem bett und denke: guck doch mal wie schön das ist! 

Donnerstag, 1. Juli 2010

der abweichler

- wollen sie das ergebnis des ersten wahlgangs der bundespräsidentenwahl wissen? rufe ich mit hochrotem kopf in meine veranstaltung, denn ich saß bis 14:15 vorm liveticker. alle wollen. - er ist im ersten wahlgang durchgefallen, rufe ich mit der hand in siegerpose. das seminar jubelt. mein subversives herz hüpft. nur ein teilnehmer in der ersten reihe senkt betreten den kopf. einer. offensichtlich sind die verhältnisse anders.

und noch was: schämt euch, genossen!