Mittwoch, 20. Oktober 2010

hebammen oder der lobbyismus und die protestkultur

die mädchenmannschaft weist darauf hin: nahezu stillschweigend hat sich die situation für hebammen in deutschland massiv verschlecht und damit auch die situation für frauen, die über den ort ihrer geburt selbstbestimmt entscheiden wollen. es gab und gibt proteste, wir haben unsere unterschrift geleistet, geändert hat sich für die hebammen an den utopischen versicherungsprämien erstmal nichts, für schwangere frauen dagegen sehr viel. das geburtshaus in pankow bietet seit august keine geburten mehr an, viele freiberufliche hebammen stellen die geburtshilfe ein, bleibt also das krankenhaus als einzige möglichkeit, es sei denn, dass man sich für eine hausgeburt ohne betreuung entscheidet. dabei ist ja nicht die frage, was besser ist: krankenhaus oder geburtshaus oder hausgeburt, sondern was jede frau für sich möchte. meine über europa verstreuten freundinnen sind da ganz verschiedenen modellen ausgesetzt: während man in schweden ins krankenhaus muss, ist in holland die hausgeburt normal, nur im notfall wird eine krankenhausgeburt gewählt. dass man sich in deutschland bislang entscheiden konnte, bedeutet die qual der wahl, aber auch individuelle lösungen. dass diese nun von den versicherungen torpediert werden (und davon abgesehen auch die  sowieso schon niedrigen einkommen vieler hebammen gefährdet sind), ohne dass die regierung darauf einfluss zu nehmen gedenkt,  ist wohl der gegenwärtige lobbyistische trend, der völlig losgelöst jeglicher politischer steuerung wild (ver)waltet. ich möchte jetzt nicht die person des bundesgesundheitsministers anführen, obwohl mir sehr danach wäre mir diesen durchsetzungsschwachen jüngling hier so richtig vorzunehmen, ich möchte auch nicht die bundesfamilienministerin ins feld führen - denn es wird entscheidungsträger_innen (gibts das noch) oder sagen wir besser interessengruppen geben, denen sehr daran gelegen ist, dass diese jungen, blassen und unerfahrenen mädchen und jungen bei uns die geschicke zu lenken bestimmt wurden. ich glaube nicht, dass das verschwörungstheorien sind. 

ich glaube aber, dass sich proteste nicht mehr nur auf städtische einzelprobleme - flughäfen und bahnhöfe - beziehen sollten, sondern gegen diese form von politik generell gerichtet sein sollten. franzosen können es besser. hier hat noch niemand die arbeit niedergelegt, es sei denn, um im sinne von einzelnen gewerkschaften einen besseren lohn für einzelne tarifgruppen herauszuschlagen. teile und herrsche. es ist dieser geist der angst und dieses deutschen egomanismus, der verhindert,  dass hier mal ordentlich die straße bebt. wo protest von wohlstandsphänomenen gesteuert wird (ein flugzeug fliegt über MEIN haus, das ich mir von MEINEM hart verdienten geld gebaut habe, auweia), wird er geprobt, aber wer setzt sich ein für schwangere hartzIV-empfängerinnen, arbeitslose jugendliche mit migrationshintergrund und hebammen ohne gewerkschaft? das sind die anderen, die mit denen ich den kleinen gemeinsamen nenner nicht teile, die, über die, aber mit denen ich nicht rede. mir gehts ja diesbezüglich gut. das die regierenden auch mit uns nicht reden, weil volkes interessen nicht ihre sind, gerät dabei aus dem blick und auch, dass buhmenschen benannt werden, die ablenken sollen vom eigentlichen. deutschlands problem ist doch wirklich nicht die integration, die religiöse orientierung ihrer bürger oder der fachkräftemangel. während man medienweit laut über integrationsunwilligkeit und leitkulturen diskutiert und man hier und dort gegen dies und jenes protestiert, wird still und heimlich die gesundheitsreform durchgewinkt, das sozialpaket beschlossen und die energiepolitik gewendet.

als wir damals noch das volk waren, haben wir eine politische kultur abgelehnt, die es nicht (mehr) zugelassen hat, die menschlichen grundbedürfnisse befriedigt zu wissen. das sind - wie wir wussten - nicht nur nahrung und ein dach über dem kopf, sondern das recht auf freie entscheidungen, das recht, die geschicke des landes, in dem man lebt, mitzubestimmen, das recht in frieden zu leben. wir wollten ein land, unser land, mitgestalten. das wäre doch mal wieder eine kultur, für die es sich einzusetzen lohnt. nun könnte man sagen, genau darum geht es bei stuttgart 21, anti-akw etc., doch mir scheint der tellerrand doch noch zu hoch: er verhindert den blick auf das große und ganze. ich weiß die lösung noch nicht, aber ich weiß, dass ich mir andere debatten wünsche und andere themen des protestes und vor allem: die utopie einer anderen gesellschaft. ob die fäden dieses textes sich nun zusammenführen lassen oder nicht: wir werden den bogen schon kriegen.



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