Sonntag, 29. November 2009

abriss

letzte woche hätte ich gerne folgende einträge gemacht:

heilsam - wie ich am montag durch eine beherzte ärztin durch nadeln und schläge brutal von schlimmsten schmerzen befreit wurde.

bericht aus der akademie - am dienstag traf sich die berlinbrandenburger akademie der wissenschaften in einer ü60-veranstaltung zum hochschulpolitischen nachbereitungstreffen (49-89-09), auf der dagmar schipanski die ostdeutsche hochschullandschaft als blühende landschaften bezeichnente und vorschlug die lehremisere durch promovenden der graduiertenschulen auszubügeln. daneben so viel selbstgefällige historikerpräsenz, dass selbst wolfgang thierse es schwer hatte mit klugen und mahnenden worten ernst genommen zu werden. der mann wächst in meinem ansehen und ich beginne ihm die spd-mitgliedschaft zu verzeihen.

jippijippiyeah - während die hochschullehrenden am konstruktiven gespräch interessiert sind, wollen die studierenden sich ein bisschen feiern. muss ja auch mal sein, aber wollten wir nicht ein bisschen mehr ändern als die abschaffung der anwesenheitspflicht????

prämie - mein vorschlag wäre, dass die diäten für die berliner abgeordneten in form von gutscheinen ausgezahlt werden, die dann an den adventssonntagen bei mediamarkt eingelöst werden können. das hilft der wirtschaft und bringt die politiker unters volk.

einsam - mein liebster leser ist weit weg und die lebenssorgen haben uns. ich finde zusammensein eine prima alternative und will nie wieder was anders denken.

heine reimweise - ich habe mal wieder probleme mit heine. lange hing über meinem schreibtisch dieser postkartenspruch: "schlage die trommel und fürchte dich nicht und küsse die marketenderin, das ist die ganze wissenschaft, das ist der bücher tiefster sinn." ich hielt das für eine aufforderung zum unangepassten leben. bis ich gestern in der heine gesammtausgabe blättere:
Schlage die Trommel und fürchte dich nicht,
Und küsse die Marketenderin!
Das ist die ganze Wissenschaft,
Das ist der Bücher tiefster Sinn.

Trommle die Leute aus dem Schlaf,
Trommle Reveille mit Jugendkraft,
Marschiere trommelnd immer voran,
Das ist die ganze Wissenschaft.

Das ist die Hegelsche Philosophie,
Das ist der Bücher tiefster Sinn!
Ich hab sie begriffen, weil ich gescheit,
Und weil ich ein guter Tambour bin.

sic! jahrelang falsch gelegen. und das mir. einem aus dem zusammenhang gegriffenen zitat aufgesessen. hätte ich bloß den patenonkel konsultiert.

stattdessen habe ich mich rückengeschmerzt (der schlag in die wirbelsäule und die nadel im finger waren dann doch nachhaltiger als gedacht) durch eine lange woche geackert, in der wieder alles drunter und drüber statt zielgerichtet weiter ging. noch vor dem weihnachtsbraten sind alle am rand: die kollegen m, h, a, c und i haben dunkelgeränderte augen und schuppige haut. ich sehe wie immer blenndend aus, fühle mich aber genauso aufgerieben zwischen den täglichen anforderungen und dem großen projekt, das mir im nacken sitzt. immer die gleiche crux: was ich da mache will ich genau so machen, aber wer lohnt mir eigentlich das ganze engagement, wenn am ende nur das eine zählt? außerdem finde ich: ich habe doch einen job mit verantwortung, eine 50-stunden-woche in der zukunfsgestaltung. müsste ich da nicht mehr verdienen? wenigstens einen büchergutschein? ich lese nämlich gar nichts mehr. berufskrankheit! ich scanne nur noch schlagzeilen. auf meinem bücherstapel liegen jetzt schon: katharina hacker, fc delius (danke: dieter!), stieg larsson und dann wollte ich noch: alexander kluge, den neuen simplicissimus - immerhin habe ich die ganze aktuelle zeit-literaturausgabe geschafft.
irgendwas läuft schief: ich bin nicht planungssicher genug für ein erfolgreiches leben. da muss ich nämlich mit 19 schon wissen, wo ich mit 32 sein will. da muss ich schnell studieren, und absolvieren, pragmatisch denken, die richtigen netzwerke pflegen und mich gut vermarkten  (bestenfalls eine perlenkette tragen zum kostüm). ich muss viermal in der woche joggen, viel gemüse essen und dabei dauertwittern. ich muss mich selbst loben und in der richtigen gegend aufgewachsen sein. dann darf ich was entscheiden, im zweifel auch dinge, von denen ich keine ahnung habe. dann bin ich wer, aber WER bin ICH dann und wer will das, was ich dann bin? regine hildebrandt hilf! schau auf dieses land! lass kluge männer um mich sein:

Menschen brauchen einen Horizont. Wenn Horizonte und Perspektiven verschlossen sind, werden die Träume größer. Die großen Träume dienen zur Horizont-Erzeugung. Das ist nicht das Gleiche wie die Träume, die man nachts hat. Früher sagte man zu den großen Träumen auch Utopie. Das ist ein falsches Wort. Utopie bedeutet: kein Ort. Ein Traum hat aber immer einen Ort. Der Träumende ist nicht irgendwo im luftleeren Raum, sondern in einer konkreten Situation. Darauf antworten die Träume. Träume sind nicht nur ein Ausdruck von Wünschen, sie sind auch der Ausdruck von Not. Wären wir im Paradies, müssten wir nicht träumen. Träume sind keine Utopien, es sind Heterotopien, also andere Orte, eine andere Wirklichkeit, die gleich neben der ersten Wirklichkeit liegt. (alexander kluge im gespräch mit peter laudenbach)







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